Jüdische Gemeinde Gerolzhofen

1933 gehörten 130 Bürgerinnen und Bürger Gerolzhofens zur jüdischen Gemeinde. Doch bereits weit zurück im Mittelalter, 1298 waren in der Stadt erstmals Juden bezeugt worden. In den folgenden Jahrhunderten gab es unter dem Druck der Würzburger Fürstbischöfe keine kontinuierliche Anwesenheit, erst im 17. Jahrhundert entstand eine kleine Gemeinde. Sie konnte 1631/32 einen Friedhof für die jüdischen Gemeinden der Region anlegen. Auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren es lediglich sieben jüdische Haushalte in Gerolzhofen, bevor die Zahl jüdischer Bürgerinnen und Bürger infolge der freien Wohnortwahl für Juden in Bayern seit 1861 deutlich stieg. Nun erst konnten sich weitere Gemeindeinstitutionen ausbilden.

Scheint die Situation für die jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner nach 1933 zunächst noch nicht unmittelbar bedrohlich gewesen zu sein, so begann seit 1935 eine kontinuierliche Ab- und Auswanderung. Die brutalen Verfolgungen im Novemberpogrom stellten dann eine deutliche Zäsur dar. Bis dahin war etwa die Hälfte der Gemeinde weggezogen oder verstorben, nun folgten viele weitere. Insgesamt flohen 61 Menschen aus Gerolzhofen ins Ausland, in die USA (39), nach England (11), Palästina (6), in die Niederlande (3), nach Shanghai (1) und nach Kolumbien (1). 35 Personen zogen um in größere/andere Städte, u.a. nach Würzburg (13), Freudenthal (6), Karlsruhe (3) und Berlin (3). Die meisten von ihnen konnten von dort noch emigrieren. 15 Menschen starben in Gerolzhofen oder an ihren neuen Wohnorten.

26 jüdische Bürgerinnen und Bürger wurden aus Unterfranken deportiert, fast alle direkt aus Gerolzhofen. Neun Menschen traf dieses Schicksal in anderen Städten in Deutschland sowie in den Niederlanden (2). Ein Mädchen fiel den Krankenmorden zum Opfer. Es sind also insgesamt 36 Opfer der Shoa zu beklagen, darunter fünf Kinder und Jugendliche. Eine jüdische Frau war mit einem Mann mit einem jüdischen Elternteil verheiratet und konnte in der Stadt bleiben. Das Schicksal ihres Mannes und einer weiteren Person mit einem jüdischen Großelternteil ist unklar.

Das Koffer-Denkmal in Gerolzhofen erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden der Stadt. Ein zweiter Koffer aus Gerolzhofen steht in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zum “DenkOrt” und zu den Deportationen.

Standort des DenkOrts in Gerolzhofen: Marktstraße 17

Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde Gerolzhofen
Quellen zu den Gemeindeartikeln

© JSZ, Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries, mit Unterstützung von Eva-Maria Bräuer

Shoaopfer, die 1933 in Gerolzhofen gelebt hatten

Fanny Brodmann (1889 – 1943)
Oskar Hahn (1864 – 1942)
Sara Hahn, geb. Kuhn (1870 – 1942)
Max Henle (1882 – 1942)
Meta Henle, geb. Lichtenauer (1883 – 1942)
Paul Henle (1925 – 1942)
Fanny Hirsch, geb. Herz (1895 – 1944)
Paulina Hirsch, geb. Hahn (1870 – 1943)
Simon Hirsch (1875 – 1943)
Karolina Kaufmann, geb. Rosenstein (1861 – 1943)
Marie Kaufmann, geb. Dittmann (1859 – 1942)
Meta Kaufmann (1894 – 1942)
Robert Kaufmann (1893 – 1942)
Babette Klein, geb. Schlachter (1872 – 1943)
Amalie Kohn, geb. Schwab (1873 – 1943)
Hermann Kohn (1871 – 1943)
Helene Krämer, geb. Reinach (1901 – 1942)
Käthe Krämer (1930 – 1942)
Samuel Krämer (1887 – 1942)
Siegfried Krämer (1883 – 1942)
Karl Künstler (1904 – 1943)
Ludwig Künstler (1891 – 1942)
Mina Künstler, geb. Rindsberg (1898 – 1942)
Kathi Langstädter, geb. Lichtenauer (1880 – 1942)
Albert Lichtenauer (1925 – 1942)
Jenny Lichtenauer, geb. Berliner (1893 – 1942)
Jenny (Jeanette) Lichtenauer (1881 – 1941/1942)
Rafael Lichtenauer (1878 – 1942)
Selma Lichtenauer, geb. Levi (1891 – 1941/1942)
Stefan Löbhardt (1897 – 1942)
Lina Rheinfelder (1891 – 1942)
Rosa Rheinfelder, geb. Freudenthal (1904 – 1942)
Siegbert Rheinfelder (1928 – 1942)
Werner Rheinfelder (1930 – 1942)
Wolfgang Rosenstein (1865 – 1943)
Klara Samuel, geb. Lewinsohn (1876 – 1944)