Jüdische Gemeinde Kleinheubach

1933 lebten 36 bis 47 jüdische Bürgerinnen und Bürger in Kleinheubach.* Schon im 14. Jahrhundert waren dort vereinzelt, seit den 1670er Jahren dauerhaft Juden ansässig gewesen. 1817 wurden 23 jüdische Haushalte im Ort gezählt. Die höchste Zahl an jüdischen Bewohnerinnen und Bewohnern findet sich im Jahr 1871 mit 142 Personen – trotz vorheriger Auswanderungen nach Nordamerika. Durch die Abwanderungen in die Städte ging die Zahl bis zum Jahr 1910 auf 92 Personen zurück. Spätestens seit 1730 diente der jüdische Friedhof in Kleinheubach auch den umliegenden jüdischen Gemeinden als Begräbnisplatz.

Aufgrund der NS-Repressionen verließen die jüdischen Bewohner:innen Kleinheubachs nach und nach den Ort. Zwischen 1933 und 1940 flohen 19 Personen ins Ausland: in die USA (11), nach Südamerika (5) sowie nach Palästina (3). Drei weitere Emigrationen sind zu vermuten, darunter die eines Mannes, der bereits im März 1933 verhaftet und im KZ Dachau eingesperrt worden war. Ein zweites Mal kam er von November 1938 bis März 1939 nach Dachau. 16 Personen verzogen innerhalb Deutschlands, u.a. nach Apolda (5), Frankfurt am Main (4), Leipzig (2) sowie nach Würzburg, Miltenberg und in weitere bayerische Städte. Bis zu zehn Personen starben eines natürlichen Todes.

Am 10. November 1938 plünderte und verwüstete eine Menschenmenge jüdische Geschäfte, Häuser und Wohnungen und warf Gegenstände auf die Straße. Zuvor war der Mob in die Synagoge eingedrungen, hatte die Inneneinrichtung demoliert, die Schriftrollen zerrissen und angezündet. Ein Nachbar verhinderte den Brand des Gebäudes. Alle jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner des Ortes wurden abends und in der Nacht unter entwürdigenden Bedingungen nach Miltenberg ins Gerichtsgefängnis gebracht und dort für zwei Tage festgehalten. Im November 1939 lebten noch 14 jüdische Bürgerinnen und Bürger in Kleinheubach, Anfang 1942 waren es nur noch drei. Sie wurden im April nach Würzburg gebracht und von dort deportiert.

Insgesamt waren es fünf Personen, die 1933 in Kleinheubach gewohnt hatten und aus Unterfranken deportiert wurden. Auch von den Menschen, die in andere deutsche Städte verzogen waren, wurden viele verschleppt. Niemand der Deportierten überlebte. Man muss also von mindestens 15 Opfern der Shoa in Kleinheubach ausgehen.   

Das Deckenrollen-Denkmal in Kleinheubach erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Eine zweite Deckenrolle aus Kleinheubach liegt in Würzburg und bildet zusammen mit den Gepäckstücken anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”.

Informationen zum Standort der Deckenrolle in Kleinheubach folgen zu gegebener Zeit.

Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde Kleinheubach
Quellen zu den Gemeindeartikeln

© JSZ, Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries

Shoa-Opfer, die 1933 in Kleinheubach gelebt hatten

Frieda Freudenstein (1884 – 1942)
Gerson Freudenstein (1889 – 1943)
Pauline Nebel, geb. Hiller (1859 – 1942)
Gisela Sichel (1895 – 1941/45)
Ida Sichel (1886 – 1943)
Klara Sichel (1888 – 1943)
Isaak Sichel (1883 – 1943)
Jakob Sichel (1902 – 1943)
Josef Sichel (1896 – 1943)
Max Sichel (1890 – 1942/1945)
Regina Sichel (1893 – 1942)
Sara Sichel (1866 – 1942)
Therese Sichel (1874 – 1942)
Bertha Wetzler, geb. Nebel (1883 – 1944)
Samuel Wetzler (1876 – 1944)

* Der Widerspruch zwischen den beiden genannten Zahlen lässt sich aktuell nicht auflösen. In der Literatur wird die Zahl 36 genannt. Eine nach 1945 in Kleinheubach entstandene Liste weist dagegen 50 Personen auf, von denen mindestens drei mit einiger Sicherheit den Ort bereits vor 1933 verlassen hatten. Nur bei zwei weiteren Namen ist kein Abzugsdatum angegeben. Alle anderen weisen ein Datum ab 1933 auf. Es könnte also sein, dass Personen erst nach 1933 zu- und dann wieder wegzogen. Alle hier genannten Zahlen beziehen sich auf eine Gesamtzahl von 47 jüdischen Bewohner:innen.