Jüdische Gemeinde Unsleben

Im Jahr 1933 lebten in Unsleben nach den Ergebnissen der Volkszählung 119, wahrscheinlich aber eher gut 140 jüdische Bürgerinnen und Bürger. Bereits im 16. Jahrhundert waren vereinzelt Juden im Ort ansässig gewesen. Ihre Zahl stieg in den folgenden Jahrhunderten an, sodass man in der Mitte des 18. Jahrhunderts 26 jüdische Familien in Unsleben zählte. Bis zum Jahr 1837 wuchs die jüdische Gemeinde auf 225 Personen an. Zu dieser Zeit wanderte eine Gruppe von Unsleben nach Cleveland (USA) aus und gründete dort eine jüdische Gemeinde. Durch weitere Ab- und Auswanderungen verringerte sich die Zahl der Gemeindemitglieder in den folgenden Jahren auf 115. Um 1900 stieg sie jedoch noch einmal auf 144 Personen an.

Infolge der zunehmenden Repressionen durch das NS-Regime verließ seit 1934 die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung den Ort. Zunächst dominierten innerdeutsche Ziele die Abwanderung. Von ihren neuen Wohnorten gelang es 14 Menschen, in die USA (10), die Niederlande (2) nach Frankreich (1) und nach Cuba (1) zu flüchten. 16 Menschen starben noch vor den Deportationen in Unsleben oder an ihren neuen Wohnorten. 84 weitere Unslebener Jüdinnen und Juden konnten dann vor allem in den Jahren 1937 bis 1939 ins Ausland fliehen: nach Cuba (40), in die USA (29), nach Chile (5), Uruguay (4), Frankreich (2), Palästina (1), England (1), Südafrika (1) und in die Tschechoslowakei (1). Die gewaltsamen Ausschreitungen des Novemberpogroms befeuerten den Wunsch zur Emigration weiter. Ein Mann starb kurz nach dem Novemberpogrom im KZ Buchenwald, eine Frau beging im März 1939 Suizid.

14 jüdische Bürgerinnen und Bürger, die 1933 in Unsleben gelebt hatten, wurden direkt aus Unterfranken deportiert – vier von ihnen direkt aus dem Ort. Ebenso erging es sechs weiteren Menschen, die erst ab 1933 nach Unsleben zugezogen waren. Von neuen Wohnorten in Deutschland (4), den Niederlanden (2) und der Tschechoslowakei (1) wurden mindestens sieben Personen abtransportiert. Nur eine Frau überlebte. So hat Unsleben also mindestens 20 Opfer der Shoa zu beklagen, darunter ein Kind.

Der Koffer in Unsleben erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Ein zweiter steht in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt“.

Informationen zum Standort des Koffers in Unsleben folgen zu gegebener Zeit.

Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde Unsleben
Quellen zu den Gemeindeartikeln

© JSZ, Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries

Shoa-Opfer, die 1933 in Unsleben gewohnt hatten

Emil Brandis (1878 – 1942)
Nanni Brandus (1872 – 1943)
Regina Brandus, geb. Grünstein (1873 – 1942)
Klara Donnerstag, geb. Seligmann (1862 – 1943)
Helene Ehrlich, geb. Mittel (1901 – 1942)
Arthur Kälbermann (1898 – 1942)
Manfred Kälbermann (1932 – 1942)
Rita Kälbermann, geb. Bach (1897 – 1942)
Therese Kälbermann, geb. Frank (1871 – 1943)
Babette Kuhl, geb. Rosenthal (1861 – 1942)
Herbert Kuhl (1906 – 1945)
Siegfried Löwenstein (1913 – 1944)
Bernhard Lustig (1862 – 1942)
Klara Mittel (1880 – 1942)
Simon Sigmund Mittel (1864 – 1938)
Toni Dorette Rosenbach (1889 – 1941/1942)
Jakob Rosenbaum (1883 – 1941/1942)
Rosa Strauß, geb. Seliger (1874 – 1939)
Martha Wantuch (1888 – 1942)
Else Weinberg, geb. Weissberg (1912 – 1943)

Überlebende der Deportationen
Fanny Bach, geb. Reiß (1870 – 1949)